Ein Spielleiter und Unterstützer beschreibt MAGUN – Review #3

Nachdem mein MAGUN-Paket schon eine Weile bei mir liegt, bin ich dazu gekommen das Regelwerk vollständig zu lesen und ein Oneshot zu leiten. Die Lektüre und der Oneshot haben einige Eindrücke hinterlassen, die ich gerne teilen möchte.

Ein Bericht von SAL (von w6 vs. w12)


Setting,  Kosmologie und Magie

Das Setting nimmt ungefähr 146 Seiten in Anspruch und hat mich restlos überzeugt. Es gibt zwar eine ganze Menge Klischees, aber diese werden stets kunstvoll gebrochen. Dadurch unterscheidet sich die Welt von Magun deutlich vom gewohnten Fantasy-Angebot. Dabei klingt die Prämisse, eine feudale, an das Mittelalter angelehnte Welt anzubieten, sehr vertraut. Bisher scheiterten allerdings alle meine Vergleiche zum gewohnten Fantasy, weil sie ordentlich hinken.

Den Anfang macht eine reichhaltige, liebevolle Entstehungsgeschichte. Sie ist knappgehalten und entwickelt in meinen Augen eine sehr spannende Kosmologie. Die relevanten Elemente werden anschließend auch alleinstehend aufgearbeitet. Dadurch werden die einzelnen Elemente in einen Kontext eingebettet, ohne dass man sich die Informationen mühsam zusammensuchen muss.

Mich begeistert insbesondere die Aufarbeitung von Geistern, Dämonen und das, was vielleicht am besten Seele genannt wird. Dabei sind Geister und Dämonen zunächst neutral – es gibt zwar böse Dämonen, aber ebenso gute, das ist individuell zu entscheidend. So sind einige der mächtigsten Dämonen sogar den Göttern gleichgestellt, d.h. Teil des Pantheons von Magun.

Die Geister sind eng verzahnt mit der Magie in Magun. Magie basiert nämlich darauf, Geister anzulocken und zu befehligen. Ich finde, dass allein die Magie auf jeden Fall ein Blick wert ist. Wie Magie funktioniert, wird gut erklärt und unterscheidet sich in meinen Augen stark von anderen Rollenspielen. Meiner Ansicht nach ist dieser Unterschied sehr spannend und positiv.

Spielbare Völker

Auch die Völker von Magun stecken voller Highlights. Menschen bleiben zwar Menschen, aber die sechs anderen, spielbaren Völker gefallen mir unheimlich gut. Bei zwei Völkern hatte ich das (Vor-)Bild von Hochelfen (Zigarin) und Orks (Szarithan’en) im Hinterkopf, als ich anfing, ihre Beschreibungen zu lesen. Wie erwähnt, hinkt ein solcher Vergleich, weil sie sich letztlich doch sehr von klassischen Hochelfen bzw. Orks unterscheiden.

So sind die Szarithan’en ein kriegerischer, fast barbarisches Volk, in dessen Reihen das Kampfgeschick wesentlich Ruhm und Status des Individuums bestimmt. (Man beachte, dass das Geschlecht dabei keine Rolle spielt, weil die Geschlechter fast immer gleichgestellt sind.) Im Unterschied zu Orks ist das Volk trotz seines nomadischen Lebensstils auf seine Art deutlich zivilisierter und vor allen Dingen sozialverträglicher, als ich es von Orks gewohnt bin.

Anderes

Es gäbe noch viel mehr Erwähnenswertes, aber ich möchte mich an dieser Stelle beschränken. Das gegenwärtige Setting beschränkt sich auf den mittleren Osten des Hauptkontinents, auf dessen Geschichten, Länder und Politik eingegangen wird.

Letztlich finde ich den Umfang des Settings sehr gut. 146 Seiten bieten viel Input, aber keinen unnötigen Balast. Das, was darinsteht, ist auch für die Gegenwart von Magun relevant und hat mir viele Abenteuerideen geboten. Insgesamt bietet das Setting den festen Rahmen, den ich von einem Setting brauche, während es viel Platz gibt, um die eigenen Ideen zu verwirklichen.

Regeln

Die Regeln haben mich beim Lesen verwirrt und bei der Charaktererschaffung habe ich mich etwas verrannt, weil die Ordnung im Regelwerk von gewohnten Schemata abweicht. Für die Übersichtlichkeit hätte ich es wohl anders strukturiert oder die Themen wenigstens manchmal stärker getrennt. Gerade bei den Kampfregeln, die in der Regel den Löwenanteil der Regel-Komplexität, hatte ich anfänglich einige Sorgen. Gedanklich habe ich beim Lesen bereits über eine Konversion nachgedacht.

Nach vier gebauten Charakteren und einer Testrunde bin ich beruhigt. Die Regeln sind in der Praxis ziemlich eingängig. Ein paar Details muss ich noch einmal nachschlagen, weil ich nicht sicher bin, ob sie richtig waren. Das habe ich allerdings bei anderen System ebenso. (Selbst bei Savage Worlds muss ich nach über zwei Jahren Spielleitung noch regelmäßig etwas nachschlagen.)

Im Kern würfelt man unter den relevanten Wert eines Charakters – gewürfelte 1er sind immer erfolgreich, gewürfelte 20er schlagen immer fehl. Dazu ein Bonus oder Malus kommen, der den Zielwert verändern. Während des Crowdfundings habe ich mitbekommen, das oft spekuliert wurde, dass die investierbaren Erfolgspunkte (IEP) das Spiel verlangsamen würden.

IEP sind Punkte in Höhe der Differenz zwischen Zielwert und Würfelergebnis, die man bei einem erfolgreichen Wurf sammelt. Für die Fertigkeiten, Rituale usw. gibt es Tabellen, anhand derer man sich mit IEP bestimmte Effekte kaufen und sein Ergebnis individualisieren kann.

Die Sorge war, dass sich die Abwicklung der Würfe durch die Tabellen maßlos verzögert würde. Mein Eindruck bestätigt das nicht, vielmehr ging das gut von der Hand. Beispielsweise erfährt man beim Spurenlesen für 0 IEP, von welchem Tier oder Wesen eine Spur ist. Für jeweils 2 IEP steht eine Auswahl an Fragen zur Verfügung, aus denen man auswählen kann, welche der Spielleiter beantworten soll (und muss).

Spurenlesen kam mehrmals vor und konnte recht zügig abgehandelt werden – bei anderen Würfen war das ebenso. Mit zunehmender Erfahrung sollte das ohne großes stocken gehen und selbst bei komplexen Fertigkeiten und magischen Ritualen rechne ich damit, dass es nach der Eingewöhnung zügig abgehandelt werden kann.

Magie

Die Magie in Magun fand ich gewöhnungsbedürftig. Es gibt fast keine Zauber, wie man sie aus anderen Fantasy-Spielen gewohnt ist. Es gibt Grundfertigkeiten, Rituale, Zauber und besondere Formen der Magie wie bei den Barden oder die Tattoos der Streiter. (Noch ein sehr hinkender Vergleich: Ein Streiter ist eine Art Paladin.)

Gewohnte Zauber gibt es sehr wenige und im Verhältnis zu den Klassikern ermöglichen sie eher Kleinigkeiten. So bietet der Dämonenfinger im Grunde nur ein paar magische Karten- und Münztricks. Eher noch sind die Grundfertigkeiten mit dem klassischen Zaubern zu vergleichen. Vielleicht erklärt sich das am besten an einem Beispiel:

Die Grundfertigkeit ist eine Art des einfachsten Umgangs mit Geistern, den der Magis (Magier in der Welt von Magun) beherrscht. So lockt der Luftmagis Luftgeister an, die er an ein Objekt bindet. (Das Objekt kann auch gewechselt werden, solange der Geist aktiv ist.) Dieses Objekt bewegt der Geist auf Kommando des Luftmagis. Dabei ist es auch möglich, Luftmagie zum Kämpfen einzusetzen indem man im Prinzip Objekte auf den Gegner wirft oder den Geist entfesselt, sodass er eine Bresche schlägt und dem Feind alles entgegenschleudert, was ihm im Weg liegt.

Die Grundfertigkeit eines Feuermagis bzw. eines Gleris (im entferntesten Sinne mit einem Kleriker zu vergleichen) erlaubt ihm hingegen, Geister und Dämonen zu kontrollieren, die man selbst nicht gerufen hat und sie zu bannen, also auf ihre Ebene zurückzuwerfen.

Das stärkste Standbein der Magie sind die Rituale bzw. die besondere Magie der Barden usw. Allerdings dauern viele davon länger als man es gewohnt ist, sodass sie im Kampf eine andere Rolle einnehmen, als die üblichen Magier. Es gibt zwar eine Reihe von Ritualen, die direkt im Kampf wirken kann, aber Maguns Magie ist mehr als eine Kampffertigkeit. Mir gefällt das ziemlich gut.

Ich bin bei der Vorbereitung etwas auf die Nase gefallen, weil ich einem Spieler versprochen habe, ich würde im „einen Priester“ bauen und dem anderen dann einen Kampfmagier. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich noch nicht ausreichend mit den Ritualen beschäftigt, um die Unterschiede zu den gewohnten Charakter-Rollen im Blick zu haben. In meinen Augen machen diese Brüche mit den Klischees Magun aber gerade einzigartig und spielenswert.

Magis und Krieger – Klassentrennung?

Vielleicht, weil es während des Crowdfundings kritisiert wurde, noch ein Wort zur Trennung von Magiern und „Kriegern“: Bei der Charaktererschaffung muss man sich entscheiden, ob man Magie lernen möchte oder nicht. Die Kritik war, dass die versprochene, freie Charakterentwicklung dadurch heimlich ein Zwei-Klassensystem einführt.

In meinen Augen ist diese Trennung, nicht mit einem Klassensystem zu vergleichen. Es stimmt zwar, dass man sich bei der Charaktererschaffung entscheidet, ob man Zaubern möchte oder nicht. Durch das Setting gibt es in meinen Augen aber wenig Anreiz, diese Entscheidung später zu ändern.

Im Zweifel gibt es im Setting und den Regeln eine eigene Möglichkeit, einen magisch begabten Krieger zu spielen. Ansonsten kann man auch einfach die Magie-Option bei der Charaktererschaffung kaufen und die restlichen Erschaffungspunkte in weltliche Fähigkeiten stecken, um die Magi später auszubauen. Das, was Magiern verboten ist, nämlich Kampfspezialisierungen, ist nichts, was man benötigen würde, um einen hervorragenden Krieger zu spielen.


Ich bedanke mich bei SAL für seine Unterstützung und seine Einschätzung zu MAGUN. Besonders von SpielerInnen und Spielleitungen höre ich gerne Berichte und Ansichten über das System und die Welt. Und am meisten freut es mich natürlich, dass MAGUN wirklich gespielt wird. Das spornt an.


Disclaimer: Das Banner von w6 vs. w12 ist ein Werk von Schneeauge von der Avatarschmiede

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